Illustration Künstliche Intelligenz
Künstliche Intelligenz spielt in sämtlichen Lebensbereichen eine Rolle. Sepp Hochreiter ist davon überzeugt, dass Österreich einen wichtigen Beitrag leisten kann.
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Größer, länger, teurer: Als die ersten Exzellenzcluster im Vorjahr vorgestellt wurden, war es ein Aufschlag der Superlative. Noch nie zuvor konnten Wissenschafterinnen und Wissenschafter in Österreich so langfristig und hochdotiert Forschungsvorhaben einreichen. Am Montag erfolgt ein Nachschlag: Wie Wissenschaftsminister Martin Polaschek und der Präsident des Wissenschaftsfonds FWF in Wien bekanntgaben, werden zwei weitere Exzellenzcluster bewilligt. Beide Forschungsvorhaben widmen sich gesellschaftlich brisanten Themen, und auch die führenden Wissenschafter sind in der Forschungslandschaft bekannte Namen: Der KI-Forscher Sepp Hochreiter von der Universität Linz wird einen Exzellenzcluster zu Künstlicher Intelligenz leiten. Der Altersforscher Frank Madeo von der Universität Graz steht einem Cluster vor, der sich dem gesunden Altern widmen wird.

Die neuen Cluster sind Teil der österreichischen Exzellenzinitiative excellent=austria und werden vom FWF mit 37,7 Millionen Euro in den nächsten fünf Jahren unterstützt. Die Institutionen, an denen die neuen Cluster verankert sind, werden weitere 25,4 Millionen Euro beisteuern. Möglich wurde der Zuschlag im Rahmen eines verkürzten Verfahrens durch eine Umschichtung innerhalb des Programms, sagte Polaschek: So werde die Ausschreibung des "FWF Distinguished Professor"-Programmteils verschoben.

Österreichische Sonderstellung

Sepp Hochreiter betonte, dass der Zuschlag des Exzellenzclusters umso erfreulicher sei, als die KI-Forschung in Österreich "stark unterfinanziert" sei. "Das hilft uns, hier überhaupt Anschluss zu halten und in die Nähe zu kommen, wo die Welt spielt." Die KI-Forschung in Österreich befindet sich laut Hochreiter in einer einmaligen Situation: Hierzulande hätte man nämlich auf einen speziellen Ansatz gesetzt, die sogenannte symbolische KI. In den USA sei hingegen die sogenannte subsymbolische KI tonangebend gewesen, auf der auch das Sprachmodell ChatGPT basiert. "In Österreich haben wir jetzt die Chance, die subsymbolische KI mit der symbolischen KI, zu der wir über 30 Jahre lang Wissen aufgebaut haben, zu vereinen." Fehler, die Tools wie ChatGPT nach wie vor haben, könnten mit der symbolischen KI korrigiert werden. "Wenn man das macht, wird man Tools wie ChatGPT wirklich einsetzbar machen", sagt Hochreiter.

"Hier mit diesem Konsortium wollen wir wirklich in die Zukunft schauen", sagt Hochreiter. "Es wird sich viel ändern, und wir wollen da mitspielen." Aufgrund der Besonderheit der österreichischen KI-Forschung sei das eine "Situation, in der weltweit auf uns geschaut wird". Mit solchen KI-Weiterentwicklungen könnten in weiterer Folge laut Hochreiter auch wesentliche Beiträge im Bereich Klimawandel, Energiesysteme und Medikamentenentwicklung geleistet werden.

Gruppenfoto Exzellenzcluster
Am Exzellenzcluster zu Künstlicher Intelligenz sind folgende Forschende federführend beteiligt (von links nach rechts): Agata Ciabattoni (Technische Universität Wien), Christoph Lampert (Institute of Science and Technology Austria, ISTA), Sepp Hochreiter (Director of Research, Johannes-Kepler-Universität Linz), Gerhard Friedrich (Universität Klagenfurt), Martina Seidl (Johannes-Kepler-Universität Linz), Thomas Eiter (Technische Universität Wien), Axel Polleres (Wirtschaftsuniversität Wien) und (nicht im Bild) Robert Legenstein (Technische Universität Graz).
FWF/Daniel Novotny

Gesundes Altern

Der zweite neue Exzellenzcluster widmet sich der Regulation des gesunden Alterns. Unter dem Akronym "MetAGE" untersuchen die Forschenden, wie Störungen der Stoffwechselkontrolle das Risiko altersbedingter Krankheiten beeinflussen. Gleichzeitig werden gezielte Interventionen in der Ernährung klinisch getestet. Das Besondere an diesem Exzellenzcluster ist, dass Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung in Modellorganismen direkt in die klinische Forschung überführt werden. Das stärkt den Präventionsgedanken – damit aus einer "Medizin der Krankheit" in Zukunft eine "Medizin der Gesundheit" wird.

"Die Vernetzung von Altersforschung am Menschen mit Grundlagenforschung bildet den Kern unseres Exzellenzclusters. Während die Lebenserwartung allgemein steigt, nimmt die gesunde Lebensspanne nicht in gleichem Ausmaß zu, was letztlich ein erhöhtes Risiko für altersassoziierte Erkrankungen bedeutet. Unser Projekt zielt vor allem auf eine Verlängerung der Gesundheitsspanne, das heißt auf möglichst viele aktive und lebensfrohe Jahre", sagte Clustersprecher Frank Madeo über die Ziele des Exzellenzclusters.

Gruppenfoto Exzellenzcluster
Die führenden Forschenden des neuen Exzellenzclusters zu gesundem Altern sind (von links nach rechts): Brigitte Pertschy (Universität Graz), Thomas Pieber (Medizinische Universität Graz), Frank Madeo (Director of Research, Universität Graz), Thomas Scherer (Medizinische Universität Wien) und Martina Schweiger (Universität Graz). Nicht im Bild sind Gernot Faustmann (Universität Graz) und Sabrina Zimmermann (Universität Graz).
FWF/Daniel Novotny

Positive Bilanz mit Wermutstropfen

Bei der Pressekonferenz am Montag zog der Wissenschaftsfonds FWF auch Bilanz über das zurückliegende Jahr, und diese fiel überwiegend positiv aus: Insgesamt rund 349 Millionen Euro schüttete der auf Grundlagenforschung spezialisierte FWF im Jahr 2023 aus. Damit machte man einen deutlichen Sprung gegenüber 2022, als der FWF Förderungen in der Höhe von 273 Millionen vergab. Zurückzuführen ist das satte Plus vor allem auf die 2023 gestarteten Großprojekte im Rahmen der mehrteiligen Exzellenzinitiative. Im Vorjahr stiegen auch die beantragten Summen stark an.

Fördervolumen des Wissenschaftsfonds FWF in den vergangenen zehn Jahren: Der starke Anstieg der bewilligten Fördersumme von 2022 auf 2023 ist vor allem durch den Start der Exzellenzinitiative zu erklären.
Fördervolumen FWF
APA/FWF

So verrät der Blick auf die Antragsstatistik, dass hier der Sprung von 1,314 Milliarden Euro im Jahr 2022 auf knapp 1,736 Milliarden im vergangenen Jahr sehr deutlich ausfiel. Das entspricht einem Anstieg um knapp ein Drittel. Der Zuwachs bei den Fördersummen fällt mit knapp 28 Prozent etwas kleiner aus. Über alle Förderprogramme betrug die durchschnittliche Bewilligungsquote zuletzt 26,3 Prozent. In der Einzelprojektförderung liegt die Quote laut FWF-Dashboard bei 28,3 Prozent. "Die Nachfrage steigt", und: "Wir sind gespannt, wie es weitergeht", sagte FWF-Präsident Christof Gattringer.

Trotz des Gesamtwachstums machte Gattringer in der 2023-Bilanz auch einen "Wermutstropfen" aus: Denn trotz exzellenter Bewertungen konnten Forschungsvorhaben mit einem Gesamt-Antragsvolumen von 61 Millionen Euro nicht bewilligt werden. Zum Vergleich: Im Jahr 2022 traf dies noch auf Projekte mit einem Gesamtvolumen von 82 Millionen Euro zu.

Gruppenfoto Urkundenverleihung
Urkundenverleihung für die neuen Exzellenzcluster, von links nach rechts: FWF-Präsident Christof Gattringer, Sepp Hochreiter (Universität Linz), Wissenschaftsminister Martin Polaschek, FWF-Vizepräsidentin Ursula Jakubek und Frank Madeo (Universität Graz).
FWF/Christine Miess

Internationaler Wettbewerb

Unter den erfolgten Zuerkennungen gingen 148 Millionen Euro in den Bereich Naturwissenschaften und Technik. Es folgen Vorhaben in den Feldern Biologie und Medizin mit 123 Millionen Euro und die Geistes- und Sozialwissenschaften, an die 78 Millionen gingen. Der Frauenanteil unter den insgesamt 4890 unterstützten Forscherinnen und Forschern lag 2023 bei 47 Prozent. An Wissenschafterinnen und Wissenschafter im Alter von 35 Jahren oder darunter gingen um die 70 Prozent der Gelder.

Polaschek hob in seiner Bilanz hervor, dass "Grundlagenforschung einen zentralen Beitrag leistet, um Antworten für gesellschaftliche Herausforderungen zu finden". Um die Souveränität im globalen Wettbewerb zu erhalten, seien weitere Investitionen in diesem Bereich notwendig. Besonders zufrieden zeigte er sich darüber, dass mit Anton Zeilinger und Ferenc Krausz in den vergangenen zwei Jahren Wissenschafter den Nobelpreis erhielten, deren wesentliche Forschungsleistungen durch den FWF gefördert worden waren. "Man sieht, dass sich diese Investitionen langfristig lohnen." (Tanja Traxler, APA, 6.5.2024)