War der stark über das Internet laufende Wahlkampf von Barack Obama 2008 noch ein Novum, gehört Onlinepräsenz mittlerweile selbstverständlich zum politischen Geschäft dazu. Doch wie erfolgreich sind Onlinekampagnen tatsächlich? Bedeuten viele Aufrufe auch automatisch mehr Stimmen? Und was kostet es?

Einen Beitrag zur Verbesserung der Datenlage haben nun Forscher der LMU München und Universität Gießen geleistet. Sie haben über 21.600 auf Facebook und Instagram ausgespielte Anzeigen analysiert, die während der deutschen Bundestagswahl 2021 von teilnehmenden Parteien geschaltet worden waren. Das Paper The Effect of Social Media Ads on Election Outcomes" (OSF) befindet sich derzeit im Pre-Print, wurde also noch keinem Peer-Review unterzogen.

Die Daten zu den Einschaltungen lieferte die Mutterfirma von Facebook und Instagram, Meta, über ihr Transparenzportal. Auf diesem werden Informationen zu allen politischen Anzeigen veröffentlicht. Insgesamt wurden die betreffenden Einschaltungen 126 Millionen Mal angesehen.

Als Ergebnis der Bundestagswahl 2021 bildete sich in Deutschland die Ampelkoalition mit Olaf Scholz (SPD, Mitte) als Kanzler, Vizekanzler Robert Habeck (Grüne, links) und Finanzminister Christian Lindner (FDP, rechts).
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2,1 Prozent für 200.000 Views

Zur Auswertung entwarf man ein statistisches Modell, in dem auch andere Faktoren berücksichtigt wurden. Etwa ob ein Kandidat bereits Mandatar oder Herausforderer war oder wie viel Zeit für den Wahlkampf aufgewandt wurde. Auf diesem Wege stellte man einen deutlichen statistischen Zusammenhang fest. Je 200.000 Mal, die eine Anzeige gesehen wurde, erhöhte sich die Anzahl der Stimmen für einen Kandidaten um 2,1 Prozent. Der Effekt zeigte sich auch bei verschiedenen Konfigurationen des Modells.

"Dass dies in diesem Umfang geschieht, war etwas überraschend", wird Dominik Bär von der LMU München in New Scientist zitiert. Mit Gesamtausgaben von rund 1,4 Millionen Euro für die Onlinekampagnen durch die 1785 Kandidaten bedeutet dies umgerechnet Kosten von vier Euro pro hinzugewonnener Wählerstimme. Ein Stimmzuwachs um 2,1 Prozent für den jeweils zweitplatzierten Kandidaten hätte in zwölf der 299 Wahlkreise die Reihung geändert. Dabei geht es im Schnitt um 500 Stimmen oder theoretische Kosten von 2000 Euro.

Ungewohnt starker Einfluss

Man hält das Ergebnis aufgrund des schieren Umfangs deutscher Wahlen mit über 60 Millionen wahlberechtigten Bürgern und einem breiten Parteienspektrum auch auf andere Wahlen anwendbar. Das gilt auch für Länder wie etwa das britische Königreich, in denen Mandatare nicht vorwiegend indirekt über Listen, sondern direkt in den jeweiligen Wahlbezirken gewählt werden.

Skeptisch betrachtet wird das Ergebnis von Kate Dommett von der University of Sheffield. Ihrer Ansicht nach ist das Ergebnis im Vergleich zu anderen größeren Untersuchungen hinsichtlich des Effekts politischer Onlinewerbung ein Ausreißer. Üblicherweise zeige Werbung wesentlich weniger Einfluss auf das Ergebnis als andere Strategien, wie etwa Haustürgespräche oder Telefonanrufe. (gpi, 7.5.2024)